Peter Leitheim

Das gebrochene Versprechen

1
Es war einmal vor langen Zeiten
irgendwo in fernen Weiten
viel Herrscher einst auf ihrem Thron
so auch der König „Ohne Lohn.“
2
In seinem Schloss herrscht – reges Trieben
ein Saufen, Fressen maßlos Reigen
er raubte plünderte und stahl
und tötete gar viele Mal.
3
In früherer Zeit in guten Jahren
da trotze er allen Gefahren
und führte hin – sein Königreich
zu stolzer Größe, Streich auf Streich
4
Aber als das Alter nahte
still und ruhig wurde es im Staate
da es herrschte Frieden nun
wollt´ er rasten nichts mehr tun.
5
Lang schon Königs Frau war tot
alles im „Reiche“ ohne Not
an Söhnen hatte er nur zwei
bei allen Dingen sie dabei.
6
Doch die Nachbarn seines Reiches
taten ihm bald nach, ein Gleiches
an den Grenzen überall
Krieg, Gefahren, Überfall.
7
Wiederum braucht es ein Heer
um zu setzen sich zur Wehr
dieses heftig nun mit Mühe
stritt abends, mittags auch zur Frühe.
8
König hatte mächtig Kummer
kein Schlaf er fand nicht einmal Schlummer
viel Feinde drangen in sein Land
dem König Volk es Angst und Bang.
9
Vom Osten her und auch vom Norden
da zogen her des Feindes Horden
und auch im Süden und im Westen
die Feinde unter Druck ihn setzen.
10
Er wusste auch nie wo und wann
der Feind mit seinem Werk begann
und bis die Warnung traf dann ein
tat die Verwüstung reichlich sein.
11
Ein Greis des Orients, fernem Land
als Sternendeuter recht bekannt
an Zauberdingen mächtig reich
besuchte da sein Königreich.
12
Hilf mir mit einer Wundertat
bat ihn der König – gib mir Rat
ich werde lohnen dies mit Geld
und jedem Wunsch der dir gefällt.
13
Ich brauch kein Gold so sprach der Greis
ich einen Wächter dir nun reich
aus Glas ein Hahn ich gebe Dir
setz ihn aufs Dach zu deiner Zier.
14
Er wird nun deine Grenzen schützen
voll Farbenpracht am Dache sitzen
als ob er schliefe, eingenickt
wenn hier im Reiche Frieden liegt.
15
Wird streuen herrlich Farbenband
solang es friedlich ist im Land
doch wenn die Feinde sich erheben
so wird erweckt er rasch zum Leben.
16
Dann weiß er, Farbenpracht vorbei
kräht laut und warnt mit viel Geschrei
zu jener Seite zugewandt
da wo der Feind fällt ein ins Land.
17
Verspreche jeden Wunsch und Willen
will ich zum Dank ich dir erfüllen
ganz egal wie dein Begehren
so als ob es meine Wünsche wären.
18
Später will ich Lohn erst haben
dir verkünden welche Gaben
vorerst ohne Wunsch ich reis
so sprach zum König hin der Greis.
19
Treu von des hohen Daches Weite
wachte Hahn zum Wohl – im Reiche
fuhr bei Gefahr stets in die Höhe
erhob ein schrecklich lautes Krähen.
20
Bald schlief der König voller Ruh
tat unbesorgt die Augen zu
denn kein einzig feindliches Heer
wagte einen Einfall mehr.
21
Viele Jahre zogen hin gar friedlich
und der Hahn saß unermüdlich
schenkte Farbenpracht dem Land
mit rot, gelb, blauem Farbenband.
22
Im siebten Jahr zu tiefster Nacht
da ist der Hahn erneut erwacht
er kräht nach Osten wild und laut
zeigt wo sich Heer ins Land getraut.
23
Nun nicht gezögert schnell ganz Schnelle
aufs Pferd und hin zur Kampfesstelle
zog aus das Heer – samt Königssohn
zu schützen Land und Königsthron.
24
Doch keine Kunde kein Bericht
vom Osten her den Weg sich bricht
kam es zum Kampfe wie der Lohn
auch keine Nachricht von dem Sohn.
25
Am siebten Tage mittags plötzlich
beginnt der Hahn erneut entsetzlich
vom Dache her ganz laut zu krähen
nach Osten sich dann hin zu drehen.
26
Das Heer zog aus zur gleichen Stunde
als man vernahm des Krieges Kunde
der älteste Sohn tat nun mit gehen
um dem Jüngeren beizustehen.
27
Zeit vergeht voll Furcht und Bangen
sieben Tage sind vergangen
es sträubt erneut der Hahn Gefieder
kräht nach Osten immer wieder.
28
König sprach – noch ein Gebet
Himmelwärts sein Blick rasch geht
selbst nach Osten zog nun er
und mit Ihm ein drittes Heer.
29
Und das Heer zieht sieben Tage
Hitze, Durst und Hungerplage
doch ein Feind ist nicht zu sehen
auch kein Schlachtfeld zu erspähen.
30
Schon neiget sich zum siebten Male
die Sonne hin zu einem Tale
als ein Anblick sonderbar
wird dem König Heer gewahr.
31
Sie sehen mit erstaunten Blicken
wo Sonnenstrahl am Bergesrücken
mitten in die Schlucht gestellt
schimmernd ein gar seltsames Zelt.
32
Eine Schlucht vom Blut gerötet
zwei Heere liegen dort getötet
wie verzaubert all dies lag
und der König sehr erschrak.
35
Plötzlich wie von Zauberhand
tat sich auf des Zeltes Wand
eine Jungfrau wunderschön
kann des Königs Auge sehen.
36
Sah verzaubert auf die Schöne
vergaß sogleich die toten Söhne
vergaß aller Kummer, allen Gram
als er in den Arm sie nahm.
37
Sieben Tage, sieben Nächte
schwelgte liebte er und zechte
gefangen er im Zauberbann
sieben Nächte, Tage lang.
38
Erst zur achten Morgenröte
als beendet Frühgebete
nahm zur Heimat hin – die Schaar
ihren Weg ohne Gefahr.
39
Dann Zuhause mit viel Geschrei
eilte jubelnd Volk herbei
und begrüßte froh und laut
nun den König seine Braut.
40
Und in all dem Menschenkreis
sieht der König jenen Greis
näher Alter freu mich sehr
sagt was führt dich zu mir her.
41
Will was du versprachst vor Jahren
meinen Lohn dies mein Gebaren
für den Hahn gebt mir nun Lohn
wie versprochen – ihr wisst schon.
42
Deine Braut will ich nur haben
doch ansonsten keine Gaben
entsetzt blickt ihn der König an
ich sie dir nicht geben kann.
43
Welch ein Wunsch was fällt dir ein!
Tausendfach sag ich ein Nein!
Doch was sonst dein Herz begehrt
sprich es aus – es wird gewährt!
44
Will nicht Schloss, Gold deine Krone
deine Braut will ich zum Lohne
weiter nichts ich sonst begehr
gib dein Weib mir endlich her.
45
König mit dem Schwert holt aus
macht dem Greis rasch den Garaus
schaudernd steht das Volk und schaut
erstarrt voll Furcht manch Schreckenslaut.
46
Dann zum Schloss zieht Volk in Scharen
voller Freude ihr Gebaren
düster blickt vom Dach der Hahn
als Weg zum Palast der Festzug nahm.
47
Stürzt mit Hahnenruf hernieder
und zerschmettert Königs Glieder
wendet sich nach allen Seiten
nun mit wildem Krähen Schreien.
48
Dann in tausend Stück zersprungen
mancher hat den Tod gefunden
sogleich des Königs Braut verschwand
von der Stelle wo sie stand.
49
Blieb für alle Zeit verschwunden
niemand hat sie je gefunden
im Schloss ein Brand brach hiernach aus
löscht alle Pracht darinnen aus.
50
Der Feind kurz drauf drang in das Land
wo er reichlich Beute fand
verwüstet Dorf, Stadt, Leben, Land
vom Schloss nur kärgliche Rest noch stand.
51
Dort liegt nun Eis und reichlich Schnee
kein Haus, kein Baum ragt in die Höh
und nachts, wenn fegt durchs Land der Wind
so hört man Weinen manches Kind.
52
Den König das Land kennt niemand mehr
dies nur ein Märchen – oder Lehr?
Denn was als Mensch man hat versprochen
ist von Bestand – wird nicht gebrochen.
—————————-
Peter Leitheim 2019
Märchen, Poeme, Gedichte, Fabeln
Deutsche Gedichte Bibliothek.

Wie gefällt dir das Gedicht?

Klicke auf die Sterne um es zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Gib die erste Bewertung für dieses Gedicht ab.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert