Carena Lorse

Ich bin Pflegekraft auf Geriatrie

Ich bin Pflegekraft auf Geriatrie

Ich geb’ dir die Hand, wenn die Angst dich zerreißt,
zeig’ dir den Weg, wenn du selbst nichts mehr weißt.
Bin Clown und Zuhörer, bin stark und auch weich,
bin Stimme für Würde – das macht mich reich.

Ich bin Pflegefachkraft auf Geriatrie,
jeden Morgen die gleiche Melodie:
Waschen, kleiden, Frühstück bringen,
Tabletten, Werte, Klingeln klingen.

Zwischen Spritzen, Blutdruck und Verband
wächst der Stress – läuft alles aus der Hand.
Jede Minute ein neuer Ruf,
Pflege im Akkord, niemals genug.

Der Alltag schreit, die Zeit verrinnt,
wir rennen schnell, das Herz oft blind.
Protokolle, Formulare, das Papier –
doch die Menschlichkeit verliert man hier.

„Digitalisiert!“ heißt es aus Chefetagen,
dass wir die Pflege ganz ins Digitale tragen.
Alles in die Cloud, Prozesse glatt und schnell –
doch Menschlichkeit bleibt oft auf der Stell’.

Wer digitalisiert die zitternde Hand?
Wer speichert Umarmung – gibt’s dafür ein Band?
Wo klickt man Nähe, wo tippt man Zeit?
Im Computer verschwindet echte Zärtlichkeit.

Tabellen sind voll, doch Herzen oft leer,
Menschsein im System? Virtuell geht das schwer.
Manchmal wünsch’ ich mir – ganz unverhohlen –,
dass Pflege nicht in Daten, sondern in Wärme soll wohnen.

Doch dann, ganz leise, im Chaos der Pflicht,
treffe ich Augen, die sind echt – kein Bericht.
Kein Protokoll, kein Formular, das spricht –
nur Begegnung, Mensch und Gesicht.

Sie tragen Falten, Spuren der Zeit,
Geschichten voller Liebe weit und breit.
Im Strudel des Tages, so rau und so schwer,
ist Wärme das, was uns verbindet so sehr.

Ich sage klar, ganz leise und schön:
Zu jedem Runzeln – du wirst gesehen.
Zu jedem Atemzug, der leise weht,
du wirst gesehen – das ist, was hier zählt.

Ein Blick bleibt stehen, fragt sacht und leise:
„Bleib noch kurz“, bevor der Tag schweigend entgleise.
Diese Sekunden, so leise und klein,
sind es, die zählen – nicht Zahlen allein.

Ich höre, ich sehe, ich bleibe dabei,
Menschlichkeit passt nicht in eine Datei.
Und manchmal, wenn ich einfach nur steh’,
spüre ich: „Du wirst gesehen.“

Doch in all der Mühe, im Lärm, im Treiben,
bleibt etwas bestehen, das lässt sich nicht schreiben.
Wenn ich am Ende des Tages vor dem Spiegel steh’,
sehe ich mehr als nur Erschöpfung und Weh.
Dort lebt ein Funken, so zart und so klar,
ein Stück Menschlichkeit – unsichtbar, wahr.

Er trägt all die Stimmen, die ich heute geleitet,
Lächeln, Tränen – was mich begleitet.
Und dann flüstert die Seele, leise und sacht:
„Du hast Wärme gebracht, du hast Licht entfacht.“

Müde bin ich, doch erfüllt und auch stolz,
denn Pflege ist Liebe, mein tiefstes Holz.
Ich bin Pflegekraft auf Geriatrie –
mit ganzem Herzen lebe ich meine Philosophie.

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