Rebekka Holtstiege

Der kochende See

Jetzt erst schätze ich den Wert
der Sorglosigkeit als Kind.
Die unstillbare Neugier auf die Welt,
das Drachen jagen im Wind.
Damals nahmen die Ferien nahezu kein Ende,
jetzt jagen die Tage nur so an mir vorbei.
Früher beschmutzte ich mir noch die Hände,
jetzt reißen mich die endlosen Aufgaben entzwei.

So viel ungesagtes bleibt im Raum haften, wie
Ich bin dankbar für dich,
mit dir kann ich wachsen.
Alles was bleibt ist:
Ich brauche dich.

Die To-do-Liste wird länger,
das Team wird kleiner,
Corona verändert.
Die Tage schwimmen ineinander, scheinbar.

Und dann plötzlich Stillstand.
Ich sitze beim Arzt.
Diagnose – Burnout.
„Was habn‘ Sie gesagt?“

Also bin ich Zuhause
mit all dem Chaos im Kopf.
„Was soll ich jetzt machen?“
Zwei Tage lang rennen Tränen über meine Wangen.
Ich bin kaputt.
Funktioniere nicht mehr.
Mein Kopf ist so voll!
Wann war er das letzte Mal leer?

Zu viel, zu laut, zu schnell
und dann wird mein Laptop hell.
Ich flüchte mich weg
in eine andere Welt.
Da meine Seele
es in mir nicht mehr aushält.

Nach und nach trauen sich meine Gefühle zurück.
Vorsichtig lasse ich sie zu,
Während mein Verstand mich erdrückt.
Er geißelt mich mit Worten
wirft mir Beschimpfungen zu.
Doch eins nach dem anderen.

Es ist wie ein See
in dem Gefühle nach oben steigen.
Ich drücke sie wieder runter
sobald sie an die Oberfläche gleiten.
So wurde das Wasser immer heißer
bis es zu kochen begann.
Mir blieb nichts anderes übrig
als mich erstmal zu fangen.
Ich musste mich mit meinen Gefühlen befassen
bis sie an die Oberfläche gelangen.

Nach einiger Zeit wurde es um mich still.
Ich sah mich um,
keine Blubberblasen mehr.
Es war ungewohnt, gar nicht mehr so schrill.
Der See war ruhig
und ich fühlte mich leer.
All meine Gefühle hatten nun ihren Raum.
Und auch mein Verstand war nicht mehr so laut.
So wurde aus kochendem Wasser ein ganz gesunder See.
Auf dem Enten schnattern
und neben dem Kinder Drachen jagen gehn.

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