TIMO ERTEL

Morgengrauen

Am grauen Ufersaum
stand ich, wach und ungefiltert.
Die Sonne stieg zögernd empor
und warf blasse Goldsplitter ins Wasser.

Die Wellen, weit und ungeduldig,
schoben sich vom Nachtwind getragen
mit leisem Murmeln heran –
kein Flüstern von Märchen,
sondern ein Rauschen von Fragen,
die der Schlaf nicht beantwortet.

Es klang wie das Wispern
vergessener Wahrheiten,
die ich einst, als Kind,
zwischen den Seiten
alter, nie gelesener Bücher fand,
wenn wir im Morgendunst
auf der Stiege saßen,
das Herz voll Erwartung,
die Augen noch voller Träume.

Drüben, hinter den Fenstern,
hockten die jungen Männer
wie Skulpturen aus Ungeduld,
gesichterlos im Schatten,
und doch spürte ich ihr Schweigen,
das schwerer wog
als jedes gesprochene Wort.

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