K.tina Vale

Kindheit in Scherben

Ich wuchs auf
in einem Haus aus zerbrochenem Glas,
wo jede Bewegung ein Schnitt war,
jede Stille
das Zittern vor dem nächsten Sturm.

Die Luft war nicht zum Atmen da,
sie war dick wie Öl,
voll flüsternder Drohungen
und knisternder Schuld.
Und selbst der Tag roch nach Nacht –
nach feuchter Wut
und rostiger Angst.

Unsere Kindheit war ein Schachspiel,
wir Bauern,
sie Könige mit zitternden Händen.
Man schlug nicht nur mit Worten,
man schlug mit Blicken,
mit Türen,
mit dem Geräusch der Schritte im Flur.

Ich war ein Tier im Winterfell,
taub vor Kälte,
meine Tränen froren mir im Hals.
Schreien war ein Luxus –
für andere.
Ich kaute auf der eigenen Stimme
bis sie nicht mehr wagte,
sich selbst zu sein.

Meine Schwester
war der Sturm,
ich das Laub.
Sie schrie in Farben,
ich schwieg in Grautönen.
Man hielt uns klein,
damit wir nicht hinsehen konnten
auf das,
was eigentlich brennt.

Man sagte:
„Ihr seid der Grund,
warum wir Flammen werden.“
Doch ich sah nie ein Streichholz
in meiner Hand.
Nur Asche auf der Haut.

Die Mutter:
Ein Fluss mit zwei Strömungen.
Sie streichelte mit Worten,
doch peitschte mit Schatten.
Sie flüsterte manchmal Hoffnung,
doch immer zu leise,
immer zu spät.

Und er –
der Mann,
den man Vater nennen sollte –
war ein Gewitter,
das sich selbst liebte.
Er hob Hände wie Gewichte,
die uns niederdrückten
statt zu tragen.

Ich lebte zwischen
zerkauten Versprechen
und stummen Tellern.
Die Fenster waren Augen,
aber niemand sah hinaus.
Der Tisch war ein Altar
für das, was fehlte:
Wärme.
Ehrlichkeit.
Schutz.

Und so stand ich da,
ein Mädchen aus Papier,
faltete mich in tausend Formen
um zu passen,
um nicht zu reißen.

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